Ich hatte gestern mein erstes Mal!
Es hat nicht weh getan, es war eine Erfahrung wert!
Und zwar das erste Mal als Teilnehmerin bei einer poetry slam!
Ich bin kein Slammer, das hatte ich schon vorher gewusst, und kam mir schlecht vor mit meinen Zetteln und dem Buch in der Hand, das mir eine Gedächtnisstütze sein sollte. Ohne kann ich nicht, das ging nicht.
Es war alles ganz aufregend und die Atmosphäre untereinander backstage ziemlich locker und entspannt eigentlich. Die anderen schienen nicht halb so aufgeregt zu sein wie ich. Mir zitterten hingegen die Knie. Aber die anderen hatten schon Routine, die meisten. Naja, ich bin nicht mit dem Ziel zu gewinnen hier, dachte ich mir. Es ist eine Erfahrung. So wie das erste Mal eben ist.
So viele Menschen, die Schlange stehen, so viele besetzte Sitzplätze, so viel Publikum, das nur gespannt auf den Auftritt wartet. Und wir backstage warten auf unseren Auftritt und haben alle glänzende Augen vor Begeisterung, dass so viele da sind, die uns Gehör schenken werden.
Die Spannung steigt umso näher die Worte rücken, umso näher der Auftritt rückt.Vor so vielen Menschen – das habe ich in der Schule schon immer gehasst… aber diesmal, diesmal weiß ich was ich tue, ich kenne meinen Text (wenn auch nicht auswendig) und fühle mich wohl damit. Nur bitte, bete ich wohl vielmehr zu den Moderatoren als zu irgendwem sonst, der meine Bitte erhören würde – dass ich nicht als allererstes drankomme. Ich möchte die Slam nicht beginnen mit einem derart zwiespältigen und doch eher beklemmenden Text, als Einstieg in einen unterhaltsamen Abend. Doch – wie es so ist, das Glück liegt mir zu Füßen! Natürlich war ich der erste Slammer des Abends. Keine Ahnung vom Ablauf, keine Ahnung, ob ich das Publikum mit dem Anfangskapitel von „Spiel der Tränen“ nicht eher verschrecken als unterhalten würde. Und dann stand ich oben, ein genauerer Blick ins Publikum. Es waren nicht alle 18, so vermutete ich. Na super – mein Text ist bestens geeignet, schmunzelte ich innerlich. Was hätte ich auch sonst tun sollen? Aber für eine Umwerfung meines Plans war es nun zu spät. Mein Herz raste und alle Blicke waren auf mich gerichtet. Freireden, lockersein – wäre – jetzt – angebracht! dachte ich mir nur, und verwarf diesen Vorsatz gleich. Ich stellte mich kurz vor, nein ich glaube das tat ich gar nicht, ich informierte nur, dass es sich um Passagen meines erotischen Liebesromans handelt. Das war´s schon. Aber immerhin – sie waren vorbereitet! Ich glaube, sie rechneten nicht damit, ich sah in gebannte, gefesselte Gesichter, war verwundert, dass mir die Aussprache von anzüglichen Worten keinerlei Probleme machte, im Gegenteil, spannend finde ich es grade dann ins Publikum zu schauen, um die Reaktion zu sehen. Schlussendlich war ich froh, dass es vorbei war – den Applaus bekam ich gar nicht mehr so wirklich mit. Ich wollte nur in das Dunkel, zu meinem Glas Wein, und mich von der Nervosität beruhigen.
Noch einmal durfte ich an dem Abend auf der Bühne stehen anlässlich der Punktevergabe…. ich erhielt immerhin ein paar Handzeichen im zweistelligen Bereich. Immerhin. Das war das Ende für mich bei der poetry slam, über die Vorrunde bin ich nicht hinaus gekommen. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, so fand ich.

Als die poetry slam vorbei war – und der Sieger gekürt – sprachen mich einige der Menschen an, die für mich gestimmt haben. Den ganzen Abend unterhielt ich mich mit einer interessierten Zuhörerin, die ich wahrlich gefesselt hatte, wie sie mir verriet. Und ich habe die Erkenntnis gewonnen, am Ende eines sehr erfahrungsreichen Abends: es geht nicht um´s Gewinnen! Es geht darum – mir jedenfalls – nicht alle zu begeistern und dann in Vergessenheit zu geraten, sondern darum, einige wenige Menschen wirklich tief zu berühren und zu fesseln, dass sie sich einen ganzen Abend mit mir unterhalten möchten, dass sie mein Buch kaufen und es mit großer Begeisterung lesen werden und noch lange an meine vorgetragenen Worte erinnern werden.
Ich hätte durchaus einen anderen Text lesen können, der angepasst wäre, an die Kriterien, die bei einer poetry slam viele Stimmen bringen. Etwas, das jeder versteht, worüber jeder lachen muss, so dumm der Witz auch sein mag, das was jeder erwartet. Aber das wäre nicht ich, das käme nicht von Herzen – und ich muss eingestehen, ich bin kein Slammer, ich bin Poet, ich bin Autor. Das möchte ich so stehen lassen! Es war ein ehrwürdiges und interessantes erstes Mal, an das ich mich bald wahrscheinlich nicht mehr erinnern kann – nur dass es nicht – wider Erwarten – wehgetan hat!